Ridwan Sartiono
Immer in der Minderheit
Startseite » Meine Geschichte, deine Geschichte, unsere Geschichte » Meine Geschichte, deine Geschichte, unsere Geschichte – Ridwan Sartino
Ridwan Santorno (65) ist in Tangerang nahe bei Jakarta geboren, hat eine Tochter einen Sohn und drei Enkelkinder. Er verließ Indonesien im Februar 1972 und kam nach Deutschland, um Bauwesen zu studieren. Seine Stationen: Bad Arolsen bei Kassel, drei Monate in Hamburg und danach 13 Jahre in Berlin. Mit seiner Frau Anneli, die er 1978 heiratete, zog er 1986 nach Wedelheine bei Meine in Niedersachsen. Der promovierte Ingenieur für Bauinformatik und grafische Datenverarbeitung hat bei Volkswagen in der Forschung und Entwicklung als Systemanalytiker gearbeitet. Seit 1988 ist er deutscher Staatsbürger.
Freunde:
„Hier in Deutschland habe ich zwei bis drei Personen, denen ich voll vertrauen kann. Einer ist ein Deutscher, mit dem ich lange zusammengearbeitet habe und lange befreundet bin. Wenn mich etwas enttäuschte oder ich Probleme hatte, konnte ich es ihm jederzeit erzählen. Er hat mir immer Mut gegeben. Ich schätze an ihm, dass er niemanden im Stich lässt.“
Herkunft:
„Wir sind chinesischer Abstammung. Mein Ururgroßvater kam auch China und wir gehörten zu einer Minderheit in Indonesien. Hier in Deutschland bin ich Indonesier, in Indonesien war ich ein Chinese, o obwohl ich kein Chinesisch kann. Mittlerweile ist es in Indonesien demokratisch, dass es auch für die Chinesen gerecht und gut ist. Aber damals hatten sie noch richtige Probleme.“
Abschied:
„Bei meiner Vorbereitung für das Leben in Deutschland habe ich sogar einen Nähkurs in Indonesien besucht, damit ich wirklich auf alles vorbereitet bin. Ich wusste nicht, wie schwierig es werden könnte. Ich hatte keine Vorstellung, keine Erwartung. Meine Mutter wollte mir sogar einen Sack Reis mitgeben. Aber ich beruhigte sie und sagte ihr, dass ich schon nicht verhungern werde. Die Flugreise nach Deutschland fühlte sich an wie eine Ewigkeit. Meinen Abschied feierte ich mit vielen Freunden. Aber ich hatte eine große Unsicherheit in mir. Ich habe mich gefühlt, als würde ich zum Mond fliegen. Ein richtiges Abenteuer. Für die Abreise ich hatte mich sogar richtig schick gemacht. Mit Schlips, Anzug und Locken durch einen Lockenwickler. Ich hatte aber ein komisches Gefühl, eine Mischung aus Freude und Trauer, weil ich meine geliebten Eltern verlassen musste.“
Koffer:
„Ich nahm viel Büromaterial, viele Hemden und Hosen, zwei Paar Schuhe, einen indonesischen, schwarzen Hut und eine Kulturtasche mit. Alles, was man so braucht. Das gab es hier zwar auch alles, aber das wusste ich ja nicht. Außerdem noch zwei Fotoalben mit Bildern von meinen Eltern, Geschwistern und Schulfreunden. Dazu Bücher, die mir auf dem Herzen lagen.“
Ankunft:
„Die ersten Tage waren erst einmal wie ein Schock. Es war kalt, es lag Schnee und die Menschen waren total anders. Es kam einem vor, als wäre ihnen vieles gleichgültig. Niemand grüßte mich, sodass ich dachte, mich würde niemand mögen. Doch mit der Zeit bemerkte ich, die Menschen waren hier nun einmal so. Das habe ich akzeptiert.
Integration:
„Man sollte seine eigene Kultur nicht ablegen. Man muss die Regeln beachten und die Pflichten wahrnehmen. Man muss respektieren, wie andere Leute leben, ohne eigene Verluste zu tragen. Integration bedeutet für mich, einfach miteinander zu leben.“
Deutschsein:
„Deutsche sind stur, korrekt und gründlich. Meine Frau sagt auch immer, ich sei typisch deutsch. Sauberkeit, Perfektionismus und das leistungsorientierte Arbeiten, das ist typisch deutsch. Ich würde auch sagen, dass das auch mittlerweile alles zu meinen Eigenschaften zählt. Das finde ich auch gut.“
Heimat:
„Heimat ist für mich da, wo ich mich wohl fühle, meine Freunde und meine Familie habe. Egal, welcher Ort. Deutschland ist zu meiner Heimat geworden. Wenn wir aus Indonesien zurückreisen und ich den deutschen Flughafen betrete, fühle ich mich wie zurück in meiner Heimat. Dieses Gefühl hat sich mit der Zeit entwickelt. Ich hatte zunächst Probleme mit den kulturellen Konventionen, doch irgendwann habe ich angefangen, einzusehen, dass es keinen Standard zum Leben gibt. Man lebt überall – nur anders! Das muss man akzeptieren und respektieren. Das kann man nicht lernen wie eine mathematische Formel. Da muss sich das richtige Bauchgefühl bilden.“