Peter Larisch
Der Ur-Braunschweiger mit Doppelpass / Der Migrant für ein Jahr

Peter Larisch wurde in Santiago de Chile geboren. Als er knapp zwei Jahre alt war, kam er 1962 mit seinen Eltern mit dem Schiff nach Deutschland. Die Familie zog nach Braunschweig. Da hat er dann später auch Deutsch und Englisch studiert. Heute ist Larisch Seminarleiter eines Studienseminars in Salzgitter

Heimat:

„Ich lebe jetzt so viele Jahre in Braunschweig. Durch meine Freunde und meine Schule fühle ich mich sehr mit der Stadt verbunden, obwohl sie nicht so meine Heimat ist. Braunschweig ist der Ort, wo ich früh hingekommen bin und mit dem ich mich sehr identifiziere. Trotzdem ist die Stadt irgendwie nicht der Ort, an dem meine Heimat ist.“

Ankunft:

„Ich war 1983 ein Jahr in Großbritannien als Austauschlehrer. Es war spannend, ein Konto zu eröffnen, ein Auto zu kaufen, allein zu leben, für sich selbst zu sorgen und eigenes Geld zu haben. Familie Carter hatte mir dort Unterschlupf gegeben und bei ihnen fühlte ich mich aufgehoben. Sie haben mir England erklärt.

Ich habe dort das ganze Jahr über in einem Wohnwagen im Garten gelebt. Für wenig Geld. Und ich konnte alles mitbenutzen und bei ihnen duschen und kochen.“

Migration:

„In England war ich ein Migrant für ein Jahr. In einem vertrauten Land Europas mit Familienanschluss. Vieles war dennoch so anders.“

Koffer:

„Meine Eltern halfen, meinen Koffer zu packen. Meine Mutter hat mir viele Sachen mitgegeben, und ich habe nicht widersprochen: Topflappen, Handtücher, als ob es das alles auf der Insel nicht gäbe. Sie haben mich ausgestattet, als hätte ich da einen ganzen Haushalt. Mehrere Koffer voll und dazu mein Fahrrad.“

Wendepunkt

„Das Jahr in England war das entscheidendste Jahr in meiner Biografie. Denn ich habe eine große Unabhängigkeit erfahren – wirtschaftlich wie auch gedanklich. Ich habe es sehr positiv erlebt, mich in dem anderen Land wohl zu fühlen, ja fühlte mich manchmal wohler, als dort wo ich herkomme. Das war ein ganz tiefer Einschnitt. Offenheit war damals wichtig für mich, die richtigen Haltungen sind entscheidend, ob es funktioniert oder nicht.“

Herkunft:

„Ich bin ein Lehrer mit Migrationserfahrung. Meine Eltern haben oft die Koffer gepackt. Sie waren sehr weltläufig. Das war für mich als Kind auch spürbar, wenn ich gefragt wurde, wo ich geboren bin. Ich musste natürlich deutlich machen, dass ich in Chile und nicht hier geboren bin. Das war für viele meiner Mitschüler schon ungewöhnlich. Denn ich sah ja überhaupt nicht eigenartig aus. Als junger Erwachsener mit 18 Jahren war es mir wichtig, auch die chilenische Staatsbürgerschaft zu haben. Deshalb sind wir zum Konsulat zu fahren. Auch ich wollte ein Dokument haben, dass diese Weltläufigkeit belegt. So hatte ich dann nicht eine, sondern zwei Staatsbürgerschaften.“

Wurzeln:

„Heute ist ganz klar: Ich habe nur eine Wurzel. Ich bin nie wieder in Chile gewesen. Es gibt von dem Ort, wo wir lebten, drei oder vier Fotos. Aber Chile ist als für mich konstitutiver Bestandteil nicht da. Eher emotional aber ist das ein Ort, der in die Tradition gehört und uns geprägt hat. Aber ansonsten bin ich Deutscher.“

Heimat:

„Mein Kraftelement ist die Sprache. Für mich war es immer schon sehr spannend, herauszubekommen, wie Sprache und Zeichen das Miteinander der Menschen bestimmen und dass Kommunikation nie eine Einbahnstraße ist. Die Sprache ist mein Zuhause, meine Heimat, auch wenn mir der Heimatbegriff ein wenig fremd ist.“