Parvin Hemmecke-Otte
Die Landfrau mit den beiden Heimaten
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Die 1959 im Südosten des Iran geborene Parvin Hemmecke-Otte lebt seit 1980 in Deutschland. Sie ist Vorsitzende des Kreisverbandes der Landfrauen in Braunschweig.
Heimat:
„Die Liebe war größer. So bin ich in Deutschland geblieben und habe geheiratet. Deutschland ist meine zweite Heimat geworden.“
Ankunft:
„Es war am Anfang nicht einfach. Ich kannte hier niemanden, nur die Familie meines Mannes, die mich mit offenen Armen empfangen hat. Keine Landsleute, keine deutschen Freunde. Deshalb war es eine sehr schwierige Zeit. Ich konnte noch kein Autofahren, Fahrradfahren kann ich immer noch nicht. So brauchte ich einige Zeit, um andere Menschen kennen zu lernen. Durch meine Schwiegermutter kam ich dann zu den Landfrauen Und bin sogar Kreisvorsitzende geworden. Da war ich als Iranerin wirklich in Deutschland angekommen.“
Sprache:
„Ich kam nach Deutschland, um zu studieren. Ohne Sprache. Ich konnte kein Wort Deutsch und kam in eine ganz andere Welt. Die Menschen waren ganz anders und es war sehr kalt. Alles war anders. Ich fand es ganz schlimm, dass ich beim Einkaufen kein Wort reden konnte. Wenn man die Sprache nicht spricht und nicht mit den Menschen kommunizieren kann, ist das wie in einem Gefängnis. Deswegen hatte ich mir ganz fest vorgenommen, die Sprache zu lernen – das ist das Wichtigste und der erste Schritt, den man in einem fremden Land machen sollte.“
Unterschiede:
„Als ich sah, dass sich ein junger Mann und eine junge Frau auf der Straße küssten, war es ein Kulturschock für mich. Das konnte ich nicht verstehen. Wie konnten sie das auf der Straße einfach tun? Für mich ist das nicht normal. Bis heute. Denn bei uns im Iran sind diese Sachen tabu. Das sind intime Sachen, die man nur Zuhause miteinander macht, aber nicht in der Öffentlichkeit.“
Koffer:
„Meine Lieblingsbücher, eine warme Strickjacke, Kräuter und alles, was braucht, um persisches Essen zu kochen. Ich dachte, das gibt es in Deutschland nicht. Außerdem hatte ich einen Gebetsteppich mit. Ich wollte unbedingt etwas mitnehmen wie einen Gebetsteppich – etwas, was mir Halt geben sollte.“
Freiheit:
„Es war ein großes Glück für mich, dass ich in Deutschland Freiheiten hatte, die ich im Iran nicht hatte. Es war etwas anderes. Unbeschwert. Man kann als Frau abends einfach auf die Straße gehen oder mit Freunden zusammen zu sein. Dieses Freisein war etwas sehr Besonderes.“
Helfer:
„Als ich ankam, gab es zwei Menschen, die mir besonders geholfen haben. Unsere Nachbarn, ein älteres Ehepaar, die wir später sogar „Oma“ und „Opa“ nannten. Die waren goldig. Denn sie haben uns immer so viel geholfen und uns die deutsche Kultur beigebracht. In der Weihnachtszeit haben wir zu Nikolaus bunte Teller von ihnen bekommen. Es war immer ein Geben und Nehmen. Es war toll, dass es so einen Kontakt gab. Denn das hilft unheimlich.“
Zwischen den Kulturen:
„Man muss zuerst die Sprache lernen und mit ihr die deutsche Kultur kennenlernen. Man muss einiges loslassen, aber nicht die Kultur loslassen. Wenn man zwischen zwei Kulturen lebt, dann muss man sie beide kombinieren. Dann hat man von beiden etwas und sich wohl und Zuhause. Für mich persönlich ist es wichtig, viele Freunde zu habe. Wenn ich in Braunschweig durch die Stadt gehe, fühle ich mich manchmal, als ob ich in meiner Geburtsstadt Kerman bin. Das ist mein Gefühl von Heimat.“
Heimaten:
„Ich habe zwei Heimaten, den Iran und Deutschland. Ich möchte beide Länder nicht missen. Dass ich nach Deutschland gekommen bin, hat mich ungeheuer bereichert und ich habe viel gelernt. Ich habe aber auch vieles von meiner Kultur hierher gebracht, vieles erst hier aufgenommen. Das gibt mir Kraft und das Heimatgefühl, das ich in Deutschland habe.“