Nazanin Zamani-Noor
Die Ärztin des Raps

Seit 2006 in Deutschland. Die promovierte Agrarwissenschaftlerin ist 41 Jahre alt und wurde im iranischen Schiras geboren. Sie arbeitet am Institut für Pflanzenschutz in Ackerbau und Grünland des Julius Kühn-Institut, Bundesforschungsinstitut für Kulturpflanzen in Braunschweig.

Ankunft:

„Als ich herkam, lebten bereits zwei Onkel hier. Sie waren nach der Revolution hergekommen. Deshalb habe ich Deutschland gewählt. Ich bin kurz vor der Revolution geboren wurden und kannte deswegen meine Onkels nicht. So war es doch wie ein Loch, als ich aufbrach. Man sitzt im Flugzeug und man weiß nicht, was in Zukunft passiert. Wen werde ich sehen, wen lerne ich kennen, wo soll ich hingehen und was soll ich hier machen? Ich hatte sonst in meinem Leben immer einen Plan. Aber im Flugzeug dachte ich: „Du hast keinen Plan“. Alles war so unbekannt und fremd. In Frankfurt traf ich dann meine Onkels und lernte sie kennen. Sie haben mich umarmt, und ich wusste: Ich habe meine Familie hier.“

Rolle der Frau:

„Im Iran müssen Frauen ein mehr kämpfen als Männer. Ich engagierte mich an der Universität in einer Gruppe für Frauenrechte und fand es immer schön, rauszugehen und als Frau mit anderen Frauen zu kämpfen. In Deutschland war es anders: Frauen haben hier fast die gleichen Rechte. Aber ich war auch Ausländerin. Als Ausländerin musste ich auch kämpfen, um genauso gut zu sein wie andere Deutsche. Vor allem bei der Arbeit. Ich konnte kaum Deutsch sprechen. Mein Studium und meine Promotion waren in Englisch. Es war alles international und deshalb habe ich kein Deutsch gelernt. Das ist ein großes Problem. Man kann einfach nichts machen.“

Koffer:

„Jeder Iraner bringt Gewürze mit. Mit meiner Mutter hatte ich alles gepackt und die Gewürze gekauft. Warme Klamotten. Denn alle erzählten, in Deutschland sei es sehr kalt ist. Außerdem ein paar Bücher, auch ein großes Wörterbuch für Persisch, Englisch und Deutsch. Das wog mindestens 10 Kilo. Da war der halbe Koffer voll. Auch meine Lieblingsbücher hatte ich mitgenommen: die Gedichte von Hafis. Mein Koffer war richtig voll. Beim Packen kam in den letzten Minuten meine Mutter mit zwei Tunfischdosen: „Nimm diese Dose mit!“. Da musste ich weinen, da so viel Druck auf mir lastete. Ich wollte die Dosen nicht. Meine Mutter war beleidigt und ich war beleidigt. Mein Vater versuchte, meine Mutter zu beruhigen: „Sie hat schon zu viele Sachen und in Frankfurt warten meine beiden Brüder. Sie braucht keinen Tunfisch!“ Was geschah? Als ich in Deutschland meinen Koffer auspackte, fand ich die beiden Tunfischdosen. Meine Mutter muss sie heimlich in meinen Koffer gesteckt haben. Eine Dose habe ich gegessen. Die andere habe ich noch heute. Sie ist ein Symbol für die Liebe meiner Mutter.“

Sprache:

„Es hätte mir sehr geholfen, wenn ich von Anfang an in der Lage gewesen wäre, mehr Deutsch zu sprechen. Ich finde es echt schade, dass viele denken, Deutschland sei ein kaltes Land und die Leute mögen die Ausländer nicht. So ist es nicht. Sie sind ganz nett, freundlich und warm. Aber wenn man die Sprache nicht kennt, versteht man Vieles nicht. Die Deutschenfragen nicht oft nach deiner Persönlichkeit oder private Dinge. Da besteht eine klare Grenze. Wenn man aber die Sprache besser kann, kann man mitreden und dann verschwindet auf einmal die Distanz. Es dauert eben alles.“

Zuhause:

„Deutschland ist mein Zuhause, hier wohne ich, hier habe ich meinen Kreis von Familie, Freunde, Bekannten und Kollegen. Ich habe viele nette Leute kennengelernt. Jedes Jahr kehre ich in den Iran zurück und sage immer, dass ich heimfliege. Wenn ich dann wieder nach Deutschland fliege, komme ich zurück nach Hause.“

Heimat:

„Der Iran ist und bleibt meine Heimat. Ich mag mein Land, meine Kultur. Da bin ich geboren und aufgewachsen. Daran habe ich sehr gute Erinnerungen. Wenn ich dorthin fliege, bin ich immer happy. Aber ich bin auch immer happy, wenn ich nach Deutschland zurückkomme.“