Dirk Schlinkert
Der Geschichte(n)-Sammler aus der Provinz

„Heimat“:

„Wir Deutschen haben mit dem Begriff „Heimat“ große Schwierigkeiten. Denn er ist vor allem in der ersten Hälfte des 20. Jhs. stark überfrachtet und mit einem extremen und gewalttätigen Nationalismus verbunden worden. Wir haben es schwer, uns davon frei zu machen, um ein weniger verkrampftes Verhältnis zur Heimat zu finden. Aber Heimat braucht jeder Mensch wie die Luft zum Atmen.“

Heimat(en):

„Das Sauerland ist eine meiner Heimaten, denn ich habe viele Erinnerungen daran. Mein Begriff von Heimat ist aber weit mehr. Ich bin ein Freund des Plurals – Heimat(en). Die Heimat ist wie ein Koffer, den man von Kindesbeinen an besitzt und in den man immer wieder etwas Neues reinpackt, wenn man mobil ist. Oft hat es mit Gefühlen zu tun. Heimat ist Herzenssache – individuell und persönlich. Es gibt also eine ungeheure Vielfalt von Heimaten, aus der sich eine Identität bildet. Ich vermute, dass der Kern dieser Identität im Laufe des Lebens immer härter wird. Einheimische wie Zuwanderer sollten mehr miteinander reden und zuhören. Das ist der Schlüssel, der den Bürgern in Deutschland Halt und Sicherheit geben kann und ihnen hilft, zu einer zivilen Identität zu kommen.“

Migration:

„Jeder Ortswechsel war eine gute Sache, auch wenn es natürlich Schwierigkeiten gab. Aber letztlich habe ich immer ungeheuer davon profitiert. Wenn man den Ort wechselt, nimmt man immer etwas mit. Was wir mitnehmen, ist ein Stück Heimat, auch wenn es nur Erinnerung oder gefühlte Erinnerungen sind.“

Erzählen und Zuhören:

„Ich habe viele Zeitzeugen-Interviews mit ehemaligen Zwangsarbeitern von Volkswagen geführt. In diesen Gesprächen wurde mir klar, warum ich Historiker geworden bin. Ich konnte ihnen in den Interviews helfen, ihre persönliche Geschichte zu finden und mit dieser Geschichte umzugehen, auch wenn es schwierig war. Am Ende hatten sie so etwas wie einen Deckel auf dieser Baustelle ihres Lebens und wir konnten sie mit ihrer eigenen Geschichte und unserer gemeinsamen Geschichte ein gutes Stück weit versöhnen.“

Migration in Geschichte:

„Die politische Brisanz von Migration in Deutschland und Europa entspricht in keinster Weise der Bedeutung, die Migration in den Geschichtsbüchern hat. Wo sind die Zuwanderer in unserer Erinnerungskultur? Warum treibt man Migrationsgeschichte meist ohne Migranten?“

Identität:

„Mit Fug und Recht halten manche „Identität“ für ein Plastikwort halten. Ich glaube aber, wir müssen uns als Bürger immer wieder neu darüber verständigen, was „Identität“ bedeutet. Meine eigene Identität verstehe ich viel besser, wenn ich zuhöre und hautnah erfahre, wie andere Menschen sich ihre Identität(en) basteln, verändern und lebenslang entwickeln. Die Zuwanderung setzt den Kern deutscher Identität unter immensen Druck: Sie verändert sich, weil sie sich verändern muss. Mit hohem Tempo. Aber Identitäten sind nicht leicht zu verändern und in Deutschland durch unsere besondere Geschichte besonders behäbig. Es braucht viel Druck und Energie, um sie zu verändern. Man sollte dann auch gleich die mitwirken lassen, die zugewandert sind. Denn die meisten Migranten sind hier, um zu bleiben. Sie können diesen Prozess unglaublich bereichern, wenn wir in Deutschland bürgerliche Identität(en) entwickeln wollen, die eine Einwanderungsgesellschaft tragen können.“